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Case study

Prähistorische Werkzeugnutzung und die Formung von Landschaften: ein dreidimensionaler Blick auf den Mikroverschleiß

Archeologie & Paleontologie, Case study, Tribologie

 Das IMF (Institució Milà i Fontanals) gehört zum Spanischen Nationalen Forschungsrat (CSIC) und wurde 1968 gegründet. Heute konzentriert sich die am IMF betriebene Forschung auf fünf geisteswissenschaftliche Bereiche: Anthropologie, Archäologie, Mittelalterstudien, Wissenschaftsgeschichte und Musikwissenschaft.

Texturanalysen von durch konfokale Mikroskopie erzielten 3D-Topographien führen zu guten Ergebnissen bei der Messung feinster Unterschiede bei Verschleißcharakteristiken

Verschleißanalysen werden in der archäologischen Forschung genutzt um, Erkenntnisse über die Nutzung von Werkzeugen und über Ernährungsgewohnheiten zu erwerben<sup>1-3</sup>. 1-. Scott RS, Ungar P S, Bergstrom T S, Brown C A, Grine F E, Teaford M F and Walker A (2005). Dental microwear texture analysis shows within-species diet variability in fossil hominins. Nature 436 693-695. 2-. Evans AA, Donahue RE (2008). Laser scanning confocal microscopy: a potential technique for the study of lithic microwear. J. Archaeol. Sci. 35, 2223-2230. 3-. Gill PG, Purnell MA, Crumpton N, Brown KR, Gostling NJ, Stampanoni M and Rayfield EJ (2014). Dietary specializations and diversity in feeding ecology of the earliest stem mammals. Nature 512 (7514) 303-5. Die Analyse basiert auf dem Vergleich von Abnutzungspuren an Versuchswerkzeugen nach deren Nutzung unter vorgegebenen Bedingungen und an menschlichen und tierischen Zähnen mit bekannten Ernährungsgewohnheiten. Die so ermittelten Verschleißmuster werden mit denen von archäologischen Werkzeugen und Zähnen verglichen.

Abnutzungsspuren geben Aufschluss über die Art und Weise der Werkzeugnutzung und über die Weidebedingungen (z.B. extensiv oder intensiv, Bewaldung, freies Feld oder beeinträchtigte Umgebungen) von Nutztieren. In der Vergangenheit wurden zum Vergleich experimenteller und archäologischer Nutzungsspuren qualitative und semiquantitative Methoden genutzt.

In den letzten zehn Jahren haben Texturanalysen von durch konfokale Mikroskopie erzielten 3D-Topographien zu guten Ergebnissen bei der Messung feinster Unterschiede bei Verschleißcharakteristiken geführt. Dies bietet tiefe Einblicke in prähistorische menschliche Verhaltensweisen und in die Entwicklung der Tierhaltung im Laufe der Zeit.

Wir nutzen konfokale Mikroskopie um mehr darüber zu erfahren, wann und wo vor 11.000 Jahren im Nahen Osten Getreide domestiziert wurde und wie pflanzenfressende Haustiere in der späten Vorgeschichte und in frühgeschichtlicher Zeit gehalten wurden. Wildgetreide wurde geerntet, bevor die reifen Körner sich aus der Ähre lösten. Domestiziertes Getreide hingegen wurde im vollreifen Zustand geschnitten. Der Wassergalt in den getrockneten Halmen unterscheidet sich je nach den Merkmalen des Getreides. Diese unterschiedlichen Feuchtigkeitsgrade führen zu subtilen Unterschieden bei den Abnutzungsspuren, die an den Klingen von Silexsicheln erhalten geblieben sind. Die Messung der Verschleißspuren an experimentellen Werkzeugen, mit denen in natürlichen Beständen bzw. unter landwirtschaftlichen Bedingungen gewachsenes Wildgetreide aber auch domestiziertes Getreide und andere krautige Pflanzen geerntet wurden, hat die Entwicklung von zur Unterscheidung dienenden Funktionen zur Charakterisierung dieser Aktivitäten ermöglicht. (Abb. 1).

cs17 IMF-CSIC - prehistoric tool 1
Abb. 1. Ernte von Wildgetreide aus natürlichen Beständen in Dschabal ad-Duruz (Suweida, Syrien)

Spätestens vor 23.000 Jahren wurde Wildgetreide aus natürlichen Beständen (Weizen und Gerste) mit Sicheln aus Feuerstein geerntet. Unsere Untersuchungen unter Einsatz von dreidimensionaler konfokaler Mikroskopie haben ans Licht gebracht, dass die Kultivierung von Wildgetreide zehn Jahrtausende später einsetzte. Jahr um Jahr unterlief das Saatgut genetische Modifikationen und es kam schließlich zum Auftreten der ersten domestizierten Getreidesorten, die vor rund 10.500 Jahre dokumentiert sind.<sup>4</sup> 4-.Ibáñez JJ, Anderson PC, González Urquijo JE, and Gibaja J (2016). Cereal cultivation and domestication as shown by microtexture analysis of sickle gloss through confocal microscopy. Journal of Archaeological Science 73, 62-81. Bei Haustieren zeigt die 3D-Texturanalyse Veränderungen in den Ernährungsmustern im Zusammenhang mit der Haltung (z. B. intensive Stallhaltung, Freilandhaltung) sowie dem Grad des Drucks auf die Weidenflächen. In einer Pilotstudie wurden die Abnutzungstexturen an modernen und archäologischen Zähnen gemessen.

Analysiert wurden Zähne zweier Gruppen moderner Ziegen mit bekannten Ernährungsgewohnheiten: eine Gruppe weidete auf Weiden, die andere im Wald. Die Messung der Zahntexturen beider Gruppen ermöglichte die Erstellung eines Algorithmus zu deren Unterscheidung. Wir nutzen diese Möglichkeiten um herauszufinden, welchen Veränderungen die Haltung von Hausziegen von der späten Bronzezeit bis zum Spätaltertum an unterschiedlichen archäologischen Fundstätten unterworfen war.

Bilder (Abb. 2-5) der Abnutzungen, die mit dem Sensofar PLu neox mit dem 20X Hellfeldobjektiv angefertigt wurden. Stichproben dieser Bilder wurden mit der fortschrittlichen Datenanalyse-Software SensoMAP verarbeitet und gemessen. Nach der Nivellierung der Oberfläche verwendeten wir einen räumlichen Filter, um die Verschleißtextur von den Unregelmäßigkeiten der Silexoberfläche zu unterscheiden, die als Hintergrundrauschen betrachtet werden können.

Bei der Messung von Zahntexturen war diese Filtrierung nicht erforderlich. Zur Messung der Textur wurden kombinierte Parameter zur besseren Unterscheidungsfähigkeit durch die Analyse der Diskriminanzfunktion genutzt. Zur Erstellung eines Vorhersagemodells für die Gruppenzugehörigkeit diente die quadratische Diskriminanzfunktionsanalyse (Abb. 6). Die Klassifizierungsregel der prädiktiven Analyse basiert auf dem Satz von Bayes.<sup>5</sup> 5-. Gelman A, Carlin JB, Stern HS, and Rubin DB (2003). Bayesian Data Analysis. Second Edition, CRC Press.

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Abb. 2. Ein zur Ernte von Wildgetreide in Dschabal ad-Duruz (Suweida, Syrien) genutztes Werkzeug
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Abb. 3. Werkzeug, das in Jalès (Ardeche, Frankreich) zur Ernte von unter landwirtschaftlichen Bedingungen angebautem Wildgetreide genutzt wurde
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Abb. 4. Ein zur Ernte von domestiziertem Getreide (Dinkel) in Zureda (Asturien, Spanien) genutztes Werkzeug
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Abb. 5. Ein mit dem Plu neox Profilometer erstelltes 3D-Bild eines Werkzeugs zur Ernte von domestiziertem Getreide (Dinkel) in Zureda

Das optische PLu neox 3D-Profilometer arbeitet im Konfokalmodus äußerst präzise, rasch und völlig zerstörungsfrei. Es eignet sich daher sehr gut zur Analyse von archäologischen Artefakten. Mit ihm lassen sich relevante Informationen über die Art und Merkmale jener Prozesse sammeln (Herstellung, Gebrauch, Ernährung, taphonomische Veränderungen usw.), die Abnutzungsspuren auf den Oberflächen archäologischer Materialien hinterlassen. Die Analyse prähistorischer Sicheln aus Fundstätten im Nahen Osten, die auf ein Alter von 13.000 bis 9.000 Jahre datiert werden, haben ergeben, dass Wildgetreide am Mittleren Euphrat im 13. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung kultiviert wurde.

Unsere Daten lassen darüber hinaus darauf schließen, dass der Anbau von Wildgetreide über zwei Jahrtausende hinweg beibehalten wurde, was darauf hindeutet, dass das Gebiet eines jener war, in denen die Domestizierung von Getreide stattfand. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Ernte von unreifem Getreide (grün, Abb. 6) bis zum 10. Jahrtausend BP beibehalten wurde. Dies erfolgte wahrscheinlich in der Form der gelegentlichen Ernte von Wildgetreide aus natürlichen Beständen im Fall von Fehlernten.<sup>4</sup> 4-. Ibáñez JJ, Anderson PC, González Urquijo JE, and Gibaja J (2016). Cereal cultivation and domestication as shown by microtexture analysis of sickle gloss through confocal microscopy. Journal of Archaeological Science 73, 62-81. Die über Ziegenhaltung gewonnene Analysedaten und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse stehen kurz vor der Publikation.

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Abb. 6. Anteil an prähistorischen, 12.500 bis 9.000 Jahre alten Sicheln mit Spuren der Ernte von grünem, halbreifem und reifem Getreide. Es lässt sich ein kontinuierlicher Trend zur Ernte reiferen Getreides erkennen, der mit dem Domestizierungsprozess von Getreide am Mittleren Euphrat (Syrien) einherging

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